„Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ein Ozean.“ Ein Zitat Isaac Newtons, und allein die Fülle an Zitaten, zu denen die Rednerinnen und Redner an diesem Tag griffen, ließ erahnen, dass es noch einmal darum ging, mit den Worten des Abschieds Lebensweisheit zu vermitteln.
Nadine Muthmann als Vertreterin des Schulträgers beschloss mit Newtons Zitat ihr Grußwort, in dem sie daran erinnert hatte, wie wichtig für die Abiturientinnen und Abiturienten vor allem die Eltern gewesen seien, die zwar einen sicheren Hafen boten, aber auch den Weg ihrer Kinder zu einem selbstbestimmten Leben begleiteten.
Taktsicher führte die Abiturientin Emma Stadel durch das abwechslungsreiche Programm, bei dem der Vechelder Bürgermeister Tobias Grünert in Vertretung für seinen Wendeburger Amtskollegen Gerd Albrecht ein Grußwort sprach. Herr Grünert lobte dabei auch das Engagement des JSG bei der Aktion „Stadtradeln für ein gutes Klima“ und betonte, wie wichtig es sei, mit einem umweltbewussten Handeln Maßstäbe für die Zukunft zu setzen.
Das Motiv der „Zeitenwende“ durchzog die Rede unseres Schulleiters Guido Stolle. Er erinnerte an den 13.März 2020, mit dem „die Pandemie Einzug hielt in den Schulalltag“ und von den Schüler*innen ein hohes Maß an „Selbstverantwortung und Selbstorganisation“ forderte. „Sie haben sich immer wieder auf neue und belastende Umstände eingestellt und Lösungen für Probleme gefunden, von deren Existenz Sie kurz zuvor noch gar nichts wussten.“ Herr Stolle betonte die Bedeutung von Kreativität und Ambiguitätstoleranz, um diese Situation zu meistern. Viele Abschlüsse seien hervorragend gewesen und allen Schülerinnen und Schülern sei es gelungen, die Abiturprüfung zu bestehen. Welche enorme Vielfalt an fachlichen Inhalten alle zu bewältigen hatten, veranschaulichte Herr Stolle an den Stundenthemen seiner Unterrichtsbesuche.
Der 24. Februar 2022, der Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine, sei dann eine weitere Zeitenwende gewesen, verbunden „mit einer neuen Ernsthaftigkeit in der Schule, die sich in vielen Fragen, Gesprächen und Aktionen zeigte.“ Herr Stolle wünschte den Abiturientinnen und Abiturienten, dass „Solidarität, Bildung, Engagement und Aufgeklärtheit“ ihnen auch zukünftig helfen werden, mit ihren Aufgaben zurechtzukommen.
Wie viel Spaß es machen kann, zu zeigen, dass Lehrer*innen zwischen ganz verschiedenen Rollen jonglieren können, bewiesen Frau Jäger, Herr Ignorek und Herr Wiegand mit ihrem Beitrag. Ganz im Sinne der Ratschläge Kurt Tucholskys für einen schlechten Redner missbrauchte Herr Ignorek sein Amt, um die Zuhörerschaft mit Informationen über Julius Spiegelberg zu überschütten, die bei dieser Feier niemand hören wollte, bis ihn dann Herr Wiegand und Frau Jäger unterbrachen, um berühmte Leute zu zitieren, von denen eigentlich nie oder eher weniger in der Schule zu hören ist, zum Beispiel Fredi Bobic, Pippi Langstrumpf, den „Suffpoeten Charles Bukowski“, K. Dot, Cornrow/Kung Fu Kenny aka Kendrick Lamar und natürlich – wen wird das hier überraschen? – Meister Oogway, den Hüter der Drachenrolle und des Jade-Palastes aus Kung Fu Panda. Auch hier gab es wichtige Ratschläge, z.B: “If you can dream it, you can do it!“ (Walt Disney).
Aber bei aller Liebe zur Welt der Kinder durften anerkannte große Philosophen nun doch nicht ganz fehlen, und so sagte Herr Ignorek, an Lessings Ringparabel anknüpfend: „Arendt, die rechtzeitig vor den Nazis nach Amerika fliehen konnte, glaubte an Wahrheit, an eine Wahrheit, die es aber nur zu zweit geben könne – gemeint ist dabei nicht unbedingt die romantische Liebe, sondern der Dialog mit Menschen und vor allem: mit sich selbst, das ist es, was Arendt unter Denken-Können verstand. Keiner habe das Recht zu gehorchen, das Be- und Hinterfragen des eigenen Gewissens zu verweigern.“
Wie sehr die Schulzeit davon geprägt war, mit Lehrer*innen zu kommunizieren, sich von ihnen motivieren zu lassen und auch über deren kleine Schwächen gütig hinwegzusehen, veranschaulichten auf humorvolle Weise Milina Kahriman und Finn-Malte Sieverding. Gedankt wurde nicht nur dafür, dass ein Tutor „fünfzehn hysterische Fragen zur Facharbeit“ ruhig beantwortete, sondern auch für das Abwischen der Tafel, das Stellen von Hausaufgaben oder dafür, den letzten OHP vor der Elektropresse gerettet zu haben.
Und was bleibt neben dem vielen Stoff im Gedächtnis? Zum Beispiel die Erinnerung an eine Kulturnacht, wie sie unbedingt noch einmal stattfinden müsse. Für Finn-Malte und Milina gehört zum Schatz ihrer Erinnerungen aber auch Kurioses wie die Tafeln in den Containerräumen, die sich nicht verstellen lassen. „Besonders ulkig anzusehen war immer der Wechsel von dienstags der zweiten auf die dritte Stunde, wo aus meinem zwei Meter großen Mathelehrer eine 1,55 kleine Geschichtslehrerin wurde und der Umgang mit der unverstellbaren Tafel aus zwei Perspektiven beleuchtet wurde. Einer kniete, um auch den letzten Punkt des Merksatzes aufzuschreiben, und die andere ließ die obere Tafelhälfte frei und benutzte statt Worten von nun an Pfeile.“
Bevor dann Finn-Malte und Milina zum Sektempfang einluden, galt „ein weiterer großer Dank unseren Eltern, die uns so viele Jahre ausgehalten, gefüttert, genährt, genervt, finanziert, abgeholt, hingefahren und wieder abgeholt haben und immer für uns da waren.“
Wunderbar gerahmt wurden die Reden von der Big Band des JSG unter der Leitung von Herrn Beyer. Den Schlusspunkt setzte die Schulband, betreut von Herrn Götzinger, mit dem ernsten und melancholischen Lied „Wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg. Ein Lied, das mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes beginnt und fordert, all das zu verwirklichen, was der Artikel als Gesetzestext formuliert: Keinen Menschen zu benachteiligen, jedem Menschen mit Würde zu begegnen. Franziska Hapkes Gesang ließ erahnen, wie ernst es unseren Schüler*innen mit diesem Anliegen ist.
Das Kollegium und die Mitarbeiterinnen des Julius-Spiegelberg-Gymnasiums bedanken sich bei unseren Abiturientinnen und Abiturienten und deren Eltern herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen und die wunderbare Zusammenarbeit.
Für den weiteren Lebensweg wünschen wir unseren ehemaligen Schüler*innen die Kraft, alle Herausforderungen bewältigen zu können, und viele Augenblicke des Glücks.
Text: Klaus Nührig,1.7.2022