Spiegelberg Namensgeber für Gymnasium

aus: Peiner Allgemeine Zeitung, 11.12.2008

Die Mission Namensfindung ist abgeschlossen: Das Gymnasium Vechelde soll künftig Julius-Spiegelberg-Gymnasium heißen. Das hat der Schulvorstand gestern Abend mit klarer Mehrheit in einer zweistündigen Sitzung beschlossen. Die endgültige Entscheidung liegt jetzt beim Schulträger, dem Landkreis Peine, der dem Vorschlag aber aller Voraussicht nachfolgen wird.

Der Name Spiegelberg sei von Schülern, Eltern und Lehrern ganz klar favorisiert worden, sagte Schulleiter Alexander Stein auf PAZ-Anfrage. Alternativ stand zur Debatte den Namen Gymnasium Vechelde beizubehalten, den die Schule seit ihrer Gründung im Jahr 2004 trägt. Die Entscheidung sei letztlich auch wegen des lokalen Bezugs auf Spiegelberg gefallen, sagte Stein. Der Industrielle hatte 1861 in Vechelde Europas erste Jutespinnerei auf dem Festland errichten lassen, die 1926 wegen Arbeitsmangels stillgelegt wurde. Während des Zweiten Weltkrieges war in der Spinnerei das Unterkommando Vechelde des Konzentrationslagers Neuengamme untergebracht.

„Spiegelberg war ein innovativer Mann, der viel bewegt hat. Mit ihm kann man sich im Unterricht gut auseinandersetzen“, sagte Stein, der froh ist, dass sich der Vorstand auch für einen wohlklingenden Namen entschieden hat, obwohl das nicht ausschlaggebend war.

Zur ersten Information über Julius Spiegelberg hier ein Auszug aus einer Biografie

(geschrieben im Jahre 1898 – veröffentlicht 1908 – Stil und Rechtschreibung im Original)

Spiegelberg, Julius; Fabrikant; † 1897, wurde als Sohn des israelitischen Kaufmanns Samuel S. († 17. Juni 1871) am 18. Februar 1833 zu Peine geboren; seine Mutter Betty, geb. Holländer, stammt aus Hildesheim und ist am 25. September 1859, wie der Vater, in Braunschweig verstorben. Der Sohn machte schon als Jüngling für den Vater weite Geschäftsreisen, insbesondere auch nach Schottland, wo er mit lebhaftem Interesse besonders die industriellen Unternehmungen besichtigte und so schon früh mit der Werg- und Jutespinnerei bekannt wurde. Dies weckte in ihm den Plan, auch in der Heimath eine ähnliche Anlage ins Leben zu rufen.
1857 errichtete er zu Vechelde im Herzogthum Braunschweig eine Flachsbereitungsanstalt, mit der er zwei Jahre darauf eine Werggarnspinnerei verband. Wieder nach zwei Jahren (1861) wandelte er das Unternehmen in eine Jutespinnerei um, die erste in Deutschland, die somit hier die Juteindustrie eigentlich erst eingeführt hat. Weil er dem Werke eine größere Ausdehnung zu geben wünschte, als er mit eigenen Mitteln auszuführen vermochte, so begründete er 1866 zu seiner Fortführung eine Actiengesellschaft, anfangs eine englische, seit dem 1. Juli 1868 aber eine deutsche, die Braunschweigische Actiengesellschaft für Jute- und Flachsindustrie.
Neben der Fabrik in Vechelde entstand dann 1874 in der Stadt Braunschweig ebenfalls eine große Jutespinnerei und -weberei, die bald solchen Aufschwung nahm, daß sie im März 1883 schon wieder in neue, stark erweiterte Räume übersiedeln mußte. Die oberste Leitung dieser Fabrikanlagen hat bis zum Jahre 1890 in erfolgreichster Weise S. geführt, und als allmählich auch an anderen Orten die Industrie sich entwickelte und ein Verein deutscher Jute-Industrieller sich bildete, da ist er die Seele dieser Vereinigung geworden. Unter seiner Mitwirkung wurden für die Juteerzeugnisse die Zolltarif-Bestimmungen erreicht, die die Grundlage für die großartige Entwicklung der heimischen Juteindustrie geworden sind.
Um an Ort und Stelle Anbau, Behandlung und Ausfuhr der Jute zu studiren, unternahm er 1887 eine Reise nach Indien; zugleich erwog er die Mittel, wie die Herstellung eines Jutemarktes in Deutschland zu ermöglichen sei. 1888 legte er über diese Fragen dem Reichskanzler ein ausführliches Gutachten vor. Es kam hauptsächlich darauf an, die direkte Einfuhr von Rohjute in Deutschland durchzusetzen und damit diesem ganzen Industriezweige nationale Selbständigkeit zu erringen. Für die Erreichung dieses Zieles konnte S. besser in einer großen Seestadt als im Binnenlande thätig sein.
Das ist wohl der Anlaß gewesen, daß er am 1. Juli 1890 seine Stellung in Braunschweig aufgab und nach Hamburg übersiedelte. Zugleich legte er auch den Vorsitz in dem Vereine deutscher Juteindustrieller [412] nieder, die dann seine großen Verdienste um die von ihm vertretene Sache durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft anerkannten. Schon weit früher war von Seiten der Braunschweiger Regierung, die S. 1882 zum Commerzienrath ernannt hatte, die Anerkennung für sein verdienstliches Wirken zum Ausdruck gebracht worden, nicht zum mindesten auch für den hingebenden, opferbereiten Eifer, mit dem er den socialpolitischen Forderungen und Wünschen der neuen Zeit zu entsprechen und Wohlthätigkeitseinrichtungen verschiedener Art nach Kräften zu unterstützen immer bestrebt war. Von Hamburg verzog S. später nach London, wo er unter der Firma „Spiegelberg u. Co.“ ein großes Jutegeschäft begründete. Doch hatte er hier nicht den gewünschten Erfolg; er erlitt sehr bedeutende Verluste.
Er starb unvermuthet am 24. Januar 1897 auf einer Reise in Köln an einem Schlaganfalle und wurde auf dem Centralfriedhofe zu Braunschweig bestattet. Im J. 1866, in dem wahrscheinlich auch sein Uebertritt zum Christenthume erfolgt ist, vermählte er sich mit einer Engländerin Rosa Wainwright, die ihn mit mehreren Kindern überlebte.