– ein Bericht von Lena Marie Müller mit Fotos von Sarah Wanowski und Nele Gründel –
Unsere Fahrt nach Krakau begann am Montagmorgen um 6:00 Uhr. Vom Braunschweiger Hauptbahnhof reisten wir – 17 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 12 und 13 – zunächst nach Berlin und von dort weiter nach Krakau. Trotz der insgesamt zehnstündigen Fahrt waren wir alle voller Vorfreude als wir aus dem Zug stiegen und realisierten, dass wir nun wirklich in Krakau angekommen waren. Jedoch ahnten die meisten von uns noch nicht, wie viel wir von dieser Fahrt tatsächlich lernen und mitnehmen würden.
Am Dienstag begann unser Tag mit einer dreistündigen Stadtführung zum Thema „jüdisches Krakau“. Wir sahen den Stadtteil Kazimierz, welcher von 1335 bis 1800 eine eigenständige Stadt in Polen war. Von der Stadtführerin erfuhren wir, dass König Jan Olbracht im Jahr 1494 nach Pogromen in Krakau die dortigen Juden nach Kazimierz umsiedeln ließ. Im Osten der Stadt entstand eine jüdische Siedlung, welche von einer Mauer umgeben und so vom christlichen Stadtteil im Westen abgetrennt wurde. Wir sahen einige der noch sieben stehenden Synagogen und erfuhren viel über das alltägliche Leben der Juden in Kazimierz. Neben dem jüdischen Krakau wurden uns ebenfalls einige andere Sehenswürdigkeiten gezeigt, wie die Marienkirche am Marktplatz oder das Königsschloss Wawel. Die Architektur vieler Sehenswürdigkeiten war überaus beeindruckend und sorgte dafür, dass man während der Führung immer etwas Interessantes zum Betrachten hatte.
Am Tag darauf besuchten wir das Schindlermuseum. Anders als der Name vermuten lässt, beinhaltete die Ausstellung nur einen kleinen Teil über Oskar Schindler selbst und thematisierte vor allem das Land Polen im zweiten Weltkrieg. Es war erschreckend feststellen zu müssen, wie sehr die deutsche Okkupation das Land beeinflusste. Besonders schockierend empfanden wir den Umgang mit der polnischen Zivilbevölkerung, der nicht nur ihr Land, sondern ihr ganzes vorheriges Leben genommen wurde. Das Leid, welches diese Menschen erfahren mussten, ist für uns nicht vorstellbar. Und erst recht nicht, dass es ihnen von anderen Menschen zugefügt wurde. Und zwar Menschen, die genauso menschlich waren wie sie, welche jedoch eine Ideologie verfolgten, nach jener sie ihnen überlegen waren. Für die Nationalsozialisten waren die Polen Untermenschen und wurden dementsprechend behandelt. Diese Behandlung wurde uns in dem Museum anhand einiger Beispiele erklärt und ihre Absurdität und unbeschreibliche Schrecklichkeit wird uns wohl sehr lange im Gedächtnis bleiben.
Welche Ausmaße dieser Schrecken annahm, wurde uns abermals am Donnerstag vor Augen geführt, als wir die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchten. Kein mir bekanntes Wort könnte nur im Ansatz das Grauen beschreiben, was sich dort zugetragen hat. Und ebenso fehlt mir ein Wort, um unsere Emotionen an diesem Ort zu beschreiben. Aber was ich beschreiben kann ist, was wir sahen. Zunächst sahen wir die Baracken in Auschwitz1, in welchen die sowjetischen Kriegsgefangenen und die Polen untergebracht waren. In einigen dieser Backsteinhäuser befanden sich Ausstellungen, welche Besitztümer der Juden zeigten oder über spezielle Personengruppen wie beispielsweise Kinder oder Sinti und Roma im KZ informierten. Es gab einen Raum, welcher vielen von uns in Erinnerung geblieben ist. Zu beiden Seiten des besagten Raumes türmten sich die Schuhe, welcher sich die Juden entledigen mussten, in riesigen Glaskästen. Die unfassbare Menge an Schuhen verdeutlichte die Vielzahl der dort ermordeten und gefangenen Juden und zeigte in ersten Ansätzen, was für eine Masse sich tatsächlich hinter einer Zahl verbirgt. Ein weiterer prägnanter Raum war jener, in welchem die „Häftlingsfotos“ einiger KZ-Gefangener an den Wänden hingen. Die Porträtaufnahmen der vielen Männer und Frauen ließen uns die schwere Erkenntnis gewinnen, dass diese riesige Masse an Toten und Gefangenen aus Individuen bestand. Aus Menschen mit einem Zuhause, einer Familie und einer Geschichte. Menschen, die genauso fühlten wie wir.
Nach der Besichtigung von Auschwitz1 besuchten wir nach einer kurzen Pause Auschwitz-Birkenau. Hier war es vor allem die Dimension des Ganzen, die uns die Sprache verschlug. Denn das weitreichende Gelände, auf dem wir uns befanden und dessen Ende wir nur erahnen konnten, bildete gerade einmal 50% von dem, was die Nazis geplant hatten. Es veranschaulichte die Systematik, mit welcher die Nazis den Holocaust planten und umsetzten. Die Verbrechen, die die Nazis damals begangen haben und das unfassbare Leid, für welches sie verantwortlich waren, war für uns nur schwer fassbar. Der Ausflug zeigte uns die Vergangenheit unseres Landes. Er zeigte uns einen Teil unserer Geschichte, an welchen sich immer weiter erinnert werden muss und welcher sich nie wiederholen darf. Gedenkstätten wie Auschwitz-Birkenau bilden einen großen Teil der Erinnerungskultur an die damalige Zeit und sind somit von höchster Bedeutung.
Im Anschluss an die Besichtigung nahmen wir an einem Workshop teil, welcher uns die Möglichkeit bot über unsere Eindrücke zu sprechen und sich mit dem Thema Sinti und Roma beschäftigte. Der Workshop war sehr informativ und ein guter Abschluss für den Tagesausflug.
Am Freitag traten wir früh morgens unsere Rückreise an. Auf der Zugfahrt redeten wir viel über das, was wir erlebt hatten. Sowohl die belastenden Eindrücke als auch die schönen Momente. Denn obwohl sie hier nur wenig thematisiert wurden, gab es auch sehr viele von ihnen. Zum Beispiel als wir die verschiedenen Restaurants testeten und einige zum ersten Mal polnisches Essen probierten. Oder als wir in unserer freien Zeit in Kunstmuseen, verschiedene Geschäfte und zu einigen Sehenswürdigkeiten gehen konnten. Auch die kleinen Momente, wie die Gespräche beim Frühstück oder das „Happy-Birthday-Singen“ für Frau Götzschel zu ihrem Geburtstag werden uns positiv in Erinnerung bleiben.
Die Krakau-Fahrt war für uns alle sowohl ein sehr interessantes und schönes, als auch ein prägendes Erlebnis. Wir bedanken uns bei Frau Heyer und Frau Götzschel für die Möglichkeit, so etwas erlebt haben zu dürfen.
Die Fotos zeigen folgendes:
Bild 1: Gruppenfoto auf dem Marktplatz
Bild 2: Bei der Stadtführung durch die Altstadt Krakaus und das jüdische Viertel
Bild 3: Marienkirche auf dem Marktplatz
Bild 4: Überreste der Mauer des jüdischen Ghettos: Die Form soll an jüdische Grabsteine erinnern
Bild 5: Portraits der Schindler-Juden an der Fassade des Schindler-Museums
Bild 6: Schindlers Schreibtisch (nicht original) mit echter Karte in Schindlers ehemaligem Büro
Bild 7: Tor zu Auschwitz I mit der Aufschrift „ARBEIT MACHT FREI“
Bild 8: Schlafplätze in den Baracken von Auschwitz II (Birkenau)
Bild 9: Überreste der zerstörten Gaskammern in Auschwitz II
Bild 10: Traditionelle polnische Pierogi: Sehr lecker!